Objekttheater inszenieren alltägliche Gegenstände und setzen sie in andere Kontexte. Objekte sind nicht Requisite, sondern werden von den Darstellenden zum Leben erweckt und treten damit selbst als Akteur*innen auf. Im Gegensatz zum Puppentheater, handelt es sich jedoch nicht um Figuren, die speziell für die Inszenierung geschaffen wurden, sondern um alltägliche Gegenstände, die sich uns in der Inszenierung auf ganz andere Weise präsentieren und wie lebendige Wesen einen Charakter annehmen.
Das Festival »Theater der Dinge«, veranstaltet von der Schaubude Berlin, ist eines der wichtigsten Events des zeitgenössischen Figuren- und Objekttheaters in Deutschland. Mit wechselndem inhaltlichem Schwerpunkt reflektiert es jährlich eine Woche im Herbst aktuelle Trends und Tendenzen des Genres.
Das Thema der diesjährigen Ausgabe (3. bis 9. November 2023) ist ‘Spielräume’.
“Wir sprechen viel von Spielräumen, wenn sie enger werden. Der Reiz des Spielraums liegt darin, die Möglichkeiten auszuweiten. Der Spielraum kann auch den Raum meinen, der dem Spielen gewidmet ist. Dieser lädt dazu ein, Freiheit und Kreativität zu erforschen oder Schicksal und Geschick auf die Probe zu stellen. Dies gilt nicht nur für Kinderzimmer, Sportplätze oder Casinos: Auch das Theater ist ein Ort, an dem Reflexion und Analyse im Modus des Spiels stattfinden. Und gerade dem Puppen-, Figuren- und Objekttheater wird eine hohe Spielfreude nachgesagt: ein Versuch, sich aus dem Bauch heraus die Welt zu erspielen.
Theater der Dinge schaut in seiner Ausgabe 2023 darauf, wo sich aktuell Spielräume öffnen und schließen. Das Festival präsentiert Inszenierungen, Theater-Games und Installationen, die auf das spielerische Moment als künstlerischen Motor vertrauen. Eingeladen sind Künstler*innen aus Belgien, Finnland, Frankreich, Kanada, Katalonien, der Schweiz, Taiwan, Tschechien und Deutschland. Sie entwerfen mit Punkten und Klebeband neue Welten, denken mit flüchtigen Schatten und tanzenden Robotern über das Menschsein nach, bilden Gemeinschaften auf dem Spielbrett, beleuchten mit Puppen historische Fluchtrouten oder öffnen mit Pyrotechnik unterwartete Denkräume.
Die künstlerischen Positionen werden auch in diesem Jahr gerahmt von einem Diskursprogramm, das mit Gesprächen, Vorträgen und Workshops das Festival mit vielschichtigen Denkanstößen begleitet.”
Eröffnet wird das diesjährige Festival am 03. November 2023 von ‘Calle Sombra’ - einer Produktion des katalanischen Künstlers David Espinosa.
David Espinosa war bereits mehrfach in der Schaubude Berlin zu Gast. In seiner neusten Arbeit schafft er eine Komposition der Schatten: ein Bühnen-Comic, der kulturelle Bilder und Vorstellungen vom Tod poetisch abgründig und visuell überraschend reflektiert.
»Wir wollten kein Schattenstück machen, sondern den Schatten eines Stücks. Ein Stück über den Tod. Über einen Schatten, der stirbt. Natürlich wollten wir nicht direkt über Themen wie Trauer, Schmerz, Suizid, den Verlust eines Kindes, gebrochene Herzen, das Vergehen der Zeit, Dekadenz, die Apokalypse, die Hölle, das Leben nach dem Tod, Reinkarnation, die Seele oder Religion sprechen. Eher stellten wir uns das Stück wie ein großes Vanitasmotiv vor, ein Stillleben, das uns durch symbolische Objekte, Licht und Schatten an die Vergänglichkeit allen Seins erinnert. Eine ironisch-formale Performance, die auf spielerische Weise das Unterbewusstsein anspricht. Ein wenig makaber, ein wenig absurd, ein Spaziergang durch die Dunkelheit. Eine dunkle Straße. Die Schattenstraße.« sagt Espinosa über das Stück.
Tim Sandweg, der künstlerische Leiter kennt den Künstler und die katalanische Szene schon länger:
“David Espinosas künstlerischer Weg ist vielleicht exemplarisch für das katalanische Objekttheater. Die Künstler*innen, die mir in den nächsten Jahren begegneten, hatten unterschiedlichste ästhetische Wurzeln und fanden durch ihre Hintergründe sehr spezifische performative Zugänge zu Dingen. Damit standen sie nicht in der Tradition des Objekttheaters Frankreichs, wo der Begriff etabliert wurde und das oftmals den ästhetischen Referenzpunkt bildet. Vielmehr sah ich hier aufregende, individuelle Versuche, szenisches Material mit Objekten zu generieren, die, zumindest für meine Seherfahrungen, ungewohnt waren.”, schreibt Sandweg.
Mehr zum katalanischen Objekttheater: Eine Reise in das katalanische Objekttheater.
Die Aufführung des Stücks beim Festival wird unterstützt vom Institut Ramon LLull.
Calle Sombra / Schattenstraße
David Espinosa, Katalonien
Dauer 50 Minuten
ohne Lautsprache
Entwicklung, Spiel
Jordi Casanovas, David Espinosa
Konzept, Regie
David Espinosa in Zusammenarbeit mit Jordi Casanovas und Africa Navarro
Szenografie, Musik, Sound
David Espinosa
Koproduktion mit
Sala Hiroshima, La Faktoria - Choreographic Center
Unterstützt von
Teatre Artesà del Prat de Llobregat